Geschichte: Die Revolution von 1848/49

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    In der Februarrevolution in Paris (22.-24. Februar 1848) erzwangen sozialistische und kleinbürgerliche Kräfte das allgemeine, gleiche Wahlrecht und die Republik. Das Bürgertum riss bald unter Führung des Neffen Napoleons I., Louis Napoleon (1853-1870 Kaiser Napoleon III.), die Kontrolle über die revolutionären Vorgänge an sich. Louis Napoleon wurde (zunächst) Präsident der Republik. Im März 1848 folgten Erhebungen in ganz Deutschland, in Wien wurde Metternich gestürzt. Überall bildeten sich liberale Ministerien. In Preußen versprach der konservativ-romantisch gesinnte Friedrich Wilhelm IV. Verfassung und Bundesreform.

    Am 31. März 1848 trat in Frankfurt ein "Vorparlament" zur späteren Nationalversammlung zusammen. Diese Nationalversammlung wurde am 18. Mai in Frankfurt eröffnet; sie tagte in der Paulskirche. Erzherzog Johann von Österreich wurde zum Reichsverweser gewählt und berief ein Reichsministerium. Johann, der Bruder Erzherzog Karls und Freund Stadions, vereinigte in seiner politischen Vorstellungswelt Karls liberale Ideen von den sozialen Pflichten des Staates und den Rechten des Volkes mit Stadions konservativem Begriff von der organischen Entwicklung nationaler Tradition. Den Zeitgenossen galt er als Repräsentant deutscher Gesinnung und Art. Aber die Nationalversammlung scheiterte bei ihrem Versuch, einen deutschen Gesamtstaat zu schaffen, weil die Revolution in den großen Einzelstaaten die Monarchie nicht ernstlich erschüttern konnte. Entscheidend blieben in diesem Zusammenhang die Ereignisse in Preußen und Österreich. Der Regierung von Österreich gelang es, zum Teil mit russischer Hilfe, unter Radetzky und Windischgrätz die nationalen und liberalen Erhebungen in Böhmen, Ungarn (Kossuth) und Italien militärisch niederzuschlagen. Auch lähmten Spaltungen innerhalb der revolutionären Kräfte die Nationalversammlung.

    Die kleindeutsche Gruppe wollte ein Reich unter Preußens Führung ohne Österreich. Die Großdeutschen verlangten dagegen den Einschluss Österreichs oder gar (nach der Forderung des Nachfolgers Metternichs, des Fürsten Felix Schwarzenberg) der gesamten Donaumonarchie in ein neues deutsches Großreich. Die bürgerlich-liberale Gruppe erstrebte die konstitutionelle Monarchie, die republikanisch-radikale wollte dagegen die Republik; die Liberalen waren mit vielen Konservativen für eine föderalistische, bundesstaatliche Lösung, die Radikalen für den Einheitsstaat. Alle diese Fronten überschnitten sich vielfach. Die Paulskirchenversammlung musste aber schon deshalb scheitern, weil sie ohne Verwaltung, Heer, feste Einnahmen politisch machtlos war und vom Ausland nicht anerkannt wurde.

    Dazu zeigte sich im Verlauf der Ereignisse, dass die Gründung eines deutschen Reiches auch ein außenpolitisches Problem war. Die Westmächte, vor allem Frankreich, waren nicht an der deutschen Einheit interessiert; Russland drohte einem liberalen Deutschen Reich von vornherein den Krieg an und half Österreich im Sinne der Heiligen Allianz, den ungarischen Aufstand niederzuwerfen.

    Die allgemeine Auseinandersetzung zwischen den Nationalitäten erfasste auch die dänische Monarchie; es kam zu einem Streit zwischen Dänen und Deutschen. Erbrechtliche, konstitutionelle und nationale Forderungen verflochten sich. Die Schwäche der Reichsregierung zeigte sich deutlich, als Dänemark die Wirren benutzte, um den Status seiner Personalunion mit Schleswig-Holstein gewaltsam durch Einverleibung Schleswigs zu ändern. Der Widerstand der Deutschen in Schleswig-Holstein wurde im Auftrag der Paulskirche und des Deutschen Bundes von Preußen militärisch unterstützt. Russland und England zwangen Preußen jedoch durch Kriegsdrohung zu dem Waffenstillstand von Malmö vom 26. August 1848. Im Londoner Protokoll von 1852 stellten die Großmächte den alten Zustand wieder her. Die völlige Machtlosigkeit der Paulskirche war auch außenpolitisch offenbar geworden.

    Hinzu kam, dass radikale Aufstände in Süddeutschland (Bauernrebellion in Baden unter Friedrich Hecker und Gustav von Struve) sowie in Berlin im März und Oktober in Wien den alten Kräften den Vorwand lieferten, die Revolution moralisch zu verdammen und auszulöschen. Der Oktoberaufstand in Wien (6. Oktober 1848) unter radikaler Führung gegen die Militärpolitik des Kriegsministers Latour, der die Unterdrückungsmaßnahmen gegen Ungarn und Italien militärisch organisierte, begann mit der Ermordung Latours und endete mit dem Sieg von Windischgrätz über die revolutionären Wiener, die vergeblich auf ungarische Hilfe gehofft hatten.

    Die letzten Gründe des Scheiterns der Paulskirche lagen in dem Versagen Preußens. Preußen erwies sich als nicht stark genug, gegen drohende außenpolitische Gefahren den Auftrag der Paulskirche auszuführen und ein deutsches Reich unter preußischer Führung zu schaffen. Dies zeigt der Ablauf der Ereignisse deutlich. Im März 1849 wurde Friedrich Wilhelm IV. zum Deutschen Kaiser gewählt, lehnte aber ab, weil er kein "revolutionärer" Herrscher sein wollte. Radikale Aufstände in Baden und in der Pfalz wurden durch preußische Truppen niedergeworfen. Der Versuch des preußischen Königs, die Reichseinheit aus eigener Machtvollkommenheit herzustellen (Unionspolitik), scheiterte am entschlossenen Widerstand Österreichs sowie außenpolitisch am diplomatischen Druck Russlands. So kam es zum Verzicht Preußens in der Konvention von Olmütz zwischen Preußen und Österreich und zur Wiederherstellung des Deutschen Bundes von 1815 im Mai 1851.

    Damit begann eine neue Epoche der Reaktion (1850-1871) in Europa. Der Bürger erhielt nur begrenzte konstitutionelle Rechte in "oktroyierten" (aufgezwungenen) Verfassungen. Unterdessen ging in den USA und in England der Prozess der fortschreitenden Demokratisierung weiter.