The Giant Buddhas
Aus Film-Lexikon.de
Tausendfünfhundert Jahre lang standen zwei gigantische Buddha-Statuen in ihren Felsnischen im abgelegenen Bamiyan-Tal des heutigen Afghanistan. Die kleinere der zwei Statuen, fünfunddreißig Meter hoch und „Shamama“ (Königinmutter) genannt, wurde im Jahre 507 westlicher Zeitrechnung in das weiche Konglomerat einer gut zwei Kilometer langen Felsklippe gehauen. Blau bemalt mit goldenem Gesicht, sollte sie wohl Buddha Sakyamuni darstellen wie man heute glaubt.
Fünfzig Jahre später wurde die große Statue gebaut, der „Salsal“-Buddha („Licht scheint durch das Universum“). Mit fünfundfünfzig Metern Höhe war dies die fortan größte stehende Buddha-Statue der Welt. Die heutigen Bewohner des Bamiyan-Tales sind stolz auf ihre vor-islamische Vergangenheit.
Sie erzählen von den alten Zeiten, damals, als Bamiyan die Hauptverbindung war zwischen Zentralasien und Indien, wichtigster Zugang zur Seidenstrasse, Handelszentrum für Tausende von Karawanen. Diese mit den Händlern ins Tal kommende Prosperität erlaubte es schließlich erst, dass die Buddha-Statuen überhaupt in den weichen Fels gehauen werden konnten. Und mit den Kolossen ein riesiges System von Felstreppen, Nischen, Balkonen, Versammlungsräumen, Altarräumen mit Kuppeldecken und Wohnhöhlen.
Während Hunderten von Jahren war das Bamiyan-Tal, im Herzen des Hindukusch gelegen, eine der wichtigsten und attraktivsten Pilgerstätten für gläubige Buddhisten, ein eigentliches Weltzentrum des Buddhismus, ein Schmelztiegel der Kulturen. Doch im Frühjahr 2001 kündet Taliban Führer Mullah Omar in einem Edikt, einem religiösen Beschluss, die Zerstörung der beiden Buddha-Statuen an.
Die Welt war empört. Die jahrelange Plünderung des afghanischen Kulturgutes; religiöser Wahn der Gotteskrieger und seine verheerenden Auswirkungen auf die Menschen in Afghanistan hatten kaum jemanden interessiert. Doch jetzt schickt die UNESCO hastig einen Sonderbotschafter nach Kabul, das Metropolitan Museum of Art in New York bot an, die Statuen zu kaufen und einzumauern. Doch alles nützte nichts.
Anfang März 2001 wurden die großen Buddhas von Bamiyan von Spezialisten der Terrororganisation Al-Kaida gesprengt. Wer mit dieser Geschichte im Kopf heute nach Bamiyan kommt kann sich vieler Fragen nicht erwehren. Wie hat es hier getönt vor 1500 Jahren? Wie hat es gerochen? Wie lebten wo die Menschen zu Füßen der steinernen Riesenstatuen? Welches Gefühle hatten sie ihnen gegenüber? Christian Freis Film beschwört die Vergangenheit, erforscht die Gegenwart, sucht nach verschiedensten Aspekten, findet Poesie und Tiefe.
Auch die Heuchelei der Welt als Reaktion auf die Zerstörung ist eines der Themen in Freis wunderschön dahin mäandernder Filmreise. Er zitiert den iranischen Filmemacher Mohsen Makhmalbaf: „Ich bin jetzt überzeugt, dass die Buddha Statuen nicht zerstört worden sind. Sie zerbröckelten aus Scham. Aus Scham wegen der Ignoranz des Westens gegenüber Afghanistan.“
Auf der Suche nach der Geschichte der Buddha-Statuen reist Frei weit zurück, in eine andere Zeit. Wir folgen den Fussstapfen Xuanzangs, dem berühmten Wandermönch, der im siebten Jahrhundert sechzehn Jahre lang entlang der Seidenstrasse unterwegs war. In Bamiyan rastete er auf seinem Weg nach Indien.
In seinem Tagebuch beschreibt Xuanzang voller Emotion die beiden Buddhas - und erwähnt einen dritten, liegenden Buddha in einem nahen Kloster. Dreihundert Meter lang soll er sein, die größte Statue in der Geschichte der Menschheit. Das achte Weltwunder. Heute, 1300 Jahre später, ist der französische Archäologe Zémaryalaï Tarzi fasziniert von der Legende dieses schlafenden Buddhas und beginnt mit Ausgrabungen. Für einen Wissenschaftler wie ihn ist Afghanistan heute ein Jammertal, das Land betrogen um sein kulturelles und archäologisches Erbe, wie „eine ausgepresste Zitrone“.
In Kanada sinniert die afghanische Schriftstellerin und Journalistin Nelofer Pazira über einer Fotografie ihres Vaters, der vor dem großen Buddha posiert. Sind das Lachen und die Musik von damals, ist die Erinnerung selbst auch ausgetrocknet? In der chinesischen Stadt Leshan wird eine Kitsch-Replika des Bamiyan Buddhas gebaut - als Touristenattraktion. Und in Zürich plant man mittels Fotogrammetrie eine Rekonstruktion der Statue. Die UNESCO bevorzugt ein Mahnmal.
Der Film folgt diesen und anderen Geschichten. Was aber suchen sie alle auf diesem Weg, auf dem der chinesische Mönch einst wanderte ... vollkommen verwirrt und unfähig, sich zurechtzufinden?
Filmstab
Regie | Christian Frei |
Drehbuch | Christian Frei |
Kamera | Peter Indergand |
Schnitt | Christian Frei |
Musik | Philipp Glass, Jan Garbarek, Steve Kuhn, Arvo Pärt |
Produktion | Christian Frei |
Darsteller
Taysir Alony | |
Sayeed Mirza Hussain | |
Nelofer Pazira | |
Zémaryalaï Tarzi | |
Xuanzang |
Kritiken
film-dienst 16/2006: Ein essayistischer Dokumentarfilm, der sich dem Mythos der zerstörten Statuen nähert, um ihre Schönheit zu erfassen und ihre Bedeutung für die kulturelle Identität der Afghanen zu beschreiben. Dabei reflektiert der Film das Thema von mehreren Seiten, rückt Gegenwärtiges und Vergangenes ins Blickfeld, läuft aber auch stellenweise Gefahr, sich instrumentalisieren zu lassen, da er provozierende Behauptungen nicht hinterfragt. In der Gesamtschau verdichtet der Film sich jedoch zu einer Betrachtung über Vergänglichkeit und Heuchelei.
Der Bund, Schweiz: Ein hochaktuelles Thema ... ein facettenreiches und ambitioniertes Essay ... eine filmische Trauerarbeit ... mit erlesen schönen Bildern.
Wertungen
Jahr/Land | 2005 / Schweiz |
Genre | Dokumentarfilm |
Film-Verleih | Kinostar |
Laufzeit | 99 Minuten |
Kinostart | 03. August 2006 |
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