Moderne Architektur

    Aus WISSEN-digital.de

    Die moderne Architektur folgte im 20. Jh. der Überwindung von Historismus und Eklektizismus des 19. Jh.s.

    Erste Manifestationen der modernen Architektur schon im 19. Jh. sind die Conway-Castle-Brücke aus Gusseisen (T. Telford, 1822-26), der Londoner Kristallpalast aus Glas-, Stahl- und Holzfertigteilen (von J. Paxton 1851 anlässlich der Kunstgewerbeausstellung in London geschaffen), der 300 m hohe Pariser Eiffelturm aus Stahlfachwerk (G. Eiffel, 1887-89 zur Pariser Weltausstellung 1889 errichtet) und die um 1892 von F. Hennebique entworfene Stahlbetonkonstruktion.


    Mit diesen modernen Bauwerken dominierte der technische Ingenieurbau die stilistische Entwicklung der modernen Architektur zu Beginn des 20. Jh.s und begründete den Funktionalismus, nach dem die Form (Gestalt) des Bauwerkes hauptsächlich von seiner Funktion bestimmt wird. L.H. Sullivan und die Chicagoer Schule bauten seit 1890 nach der Devise: "Form folgt der Funktion".

    Diesem funktionalen Baustil waren in Deutschland die Architekten des Jugendstils (P. Behrens, H.C. van de Velde, O. Wagner, J.M. Olbrich, A. Loos, J. Hoffmann u.a.) verpflichtet; ebenso der Deutsche Werkbund (Muthesius, B. Taut, Mies van der Rohe, Behrens, Gropius u.a.), das Bauhaus (Hannes Meyer, Marcel Breuer, Gropius, Mies van der Rohe) und die niederländische künstlerische Bewegung de Stijl (Architekten: Jacobus Oud, Wils, van t'Hoff, Gerrit Rietveld, Cornelis van Esteren).

    Auf die Weiterentwicklung des Funktionalismus in den 20er Jahren hatte die Theorie des "organischen Bauens" (in den USA: F.L. Wright, in Europa: H. Härting) Einfluss, während nach 1918 als architektonischer Expressionismus aufkommende ästhetische Tendenzen für die moderne Architektur wirkungslos blieben.

    V.a. Mies van der Rohe und Gropius bestimmten die deutsche moderne Architektur der 20er und 30er Jahre. Besonders typische Beispiele ihrer funktionalistischen, zweckmäßigen Architektur sind oft auf Stützen gestellte, weiß verputzte, mit Fensterbändern versehene Quaderbauten von strenger, kubische Form, so die Weißenhofsiedlung in Stuttgart (1927), die Siedlung Britz in Berlin und Berlin-Siemensstadt (1928-31), die Siedlung Römerstadt in Frankfurt a.M. (1925-30) und einige Flachbauten wie das Bauhaus in Dessau (1925-26) oder der Deutsche Pavillon auf der Internationalen Ausstellung in Barcelona (1929).

    Großen Einfluss auf die moderne Architektur hatte auch der französisch-schweizerische Baumeister Le Corbusier, der Wohnhäuser aus kubischen Elementen mit Flachdach und großen Fenstern ohne Ornamentik baute und 1922 mit seiner Zeitschrift "L'esprit nouveau" für den Städtebau die Trennung von Arbeit, Verkehr, Verwaltung, Wohnen in spezifische Funktionszonen forderte. Le Corbusier schuf in Anlehnung an die antike Maßeinheit den Modulor als Proportionsskala.

    Während der finnische Architekt A. Aalto mit der Stadtbibliothek von Viipuri (1927-35) noch an der Natur orientiertes, humanes Bauen anstrebte, wurde der Funktionalismus der modernen Architektur in Deutschland und Italien 1933 (durch die nationalsozialistische bzw. faschistische Kulturpolitik) abgebrochen. Im übrigen Europa, in den USA, in Lateinamerika (O. Niemeyer) und Japan (K. Tange) setzte sich dagegen seit ca. 1930 der funktionalistische Stil als "internationaler Stil" durch.

    Der Begriff "International Style" wurde vom Architekturhistoriker H.R. Hitchcock und vom Architekten P. Johnson geprägt. Repräsentanten dieses Baustils waren F.L. Wright, T. Garnier, A. Loos, W. Gropius und Mies van der Rohe. Seine Kennzeichen waren kubische Formen, Flachdach, kompositorische Asymmetrie, Fensterstreifen, heller Putz und das Fehlen von Schmuck und Ornamentik.

    Erst in den 50er Jahren wurde in Deutschland wieder im "internationalen Stil" gebaut, so 1957 durch die "Interbau" im Berliner Hansaviertel und 1958 im Wettbewerb "Hauptstadt Berlin". Die durch diesen Baustil begünstigte Konstruktion monotoner Hochhaussiedlungen und isolierter Schlafstädte widersprach einer funktionalen Stadtplanung, führte zur Zersiedlung der natürlichen Umwelt und zur Brutalisierung der sozialen Atmosphäre durch Kommunikationslosigkeit, Unwohnlichkeit und Zubetonierung der Natur.

    Eine weitere Folge der Massenhäufungen von Blocks und Wohnsilos am Stadtrand war die Verödung der citynahen Stadtkernbereiche, die saniert, entkernt und verkehrsgerecht aufbereitet, mit repräsentativen Verwaltungs- und Kaufhausbauten innerstädtisches Wohnen unmöglich machten. So bestimmte Anfang der 60er Jahre der technisch perfekte "internationale Stil" (G. Bunshaft, die Firma Skidmore, Owings und Merrill) das Bild der modernen Architektur (so auch das Thyssenhaus von Hentrich und Petschnigg, 1957-60, Düsseldorf).

    Ihm folgte der internationale Brutalismus als Stilrichtung. Der Begriff Brutalismus wurde in England für das Spätwerk Le Corbusiers und die Bauten der von ihm beeinflussten britischen Architekten geprägt. Er bezeichnet den exzessiven Gebrauch von Sichtbeton (nach Verschalung unbehandelter, grob gemaserter Beton) und das Nicht-Verkleiden funktionaler Elemente, was z.T. zur dramatischen Überbetonung einzelner Formelemente führt.

    In England entstand in den 50er Jahren aus dem internationalen Brutalismus der "New Brutalism", gekennzeichnet durch direkten Einsatz von Beton und besondere Hervorhebung der Funktion und Dienstleistung des Bauwerks (Alison and Peter Smithson).

    Während in den USA durch L.I. Kahn oder J. Stirling durchaus lebensvolle Beispiele brutalistischer Architektur geschaffen wurden (so auch in Belgien das 1978 abgebrochene Experiment der Studentenstadt Woluwé-Saint Lambert, Löwen, L. Kroll), strahlen deutsche Universitätszentren im brutalistischen Stil oft eine unwirtliche Atmosphäre aus. Allerdings sind in der Bundesrepublik Deutschland einige bemerkenswerte kulturelle Bauaufgaben realisiert worden (Kirchen, Theater, Rathäuser, Museen, Sportanlagen), in denen Funktionalität mit Gestalt, Form, Repräsentation verbunden wurde: Scharouns Berliner Philharmonie; G. Böhms Bensberger Rathaus und andere Bauten. Hier wirkt die Bildhaftigkeit sehr stark und überlagert die Herleitung der Form aus der Funktion, die nachfolgend immer seltener als Träger bzw. Inspirator der Formfindung genommen wurde.

    So legten Architekten wie O.M. Ungers, J.P. Kleihues, L. und R. Krier (so genannte Rationalisten) ihrer Formgebung die Stereometrie zugrunde, ohne Funktion und Konstruktion zu vernachlässigen. In den USA überwanden P. Johnson, E. Saarinen u.a. (so genannte Formalisten) den Funktionalismus durch Formelemente (wie z.B. den Bogen) ohne konstruktive (tragende) Funktion. Der amerikanische so genannte Post-Modernismus (R. Venturi, R. Stern, C. Jencks, C. Moore) strebte nach "organischer Unordnung" durch historisierende Formensprache, die nicht selten als ironisierender Stileklektizismus eingesetzt wird.

    Viele öffentliche Bauwerke tragen heute eine solche Stilvielfalt (formalistische, brutalistisch-strukturalistische, skulptural-expressive Stilemente), so die Oper in Sydney (1959-73), das New-Yorker Lincoln-Center (1962-66) oder das Pariser Centre Pompidou (1973-77). In der Bundesrepublik Deutschland finden sich einige Bauten wie der Pavillon für die Weltausstellung in Montreal (1966/67, F. Otto und R. Gutbrod), das Münchener Olympiazelt (1972, G. Behnisch) oder die Mannheimer Multihalle (1977, F. Otto und C. Mutschler).

    Weblinks

    Empire State Building

    Wright, Frank Lloyd

    Kalenderblatt - 19. April

    1521 Kaiser Karl V. verhängt über Martin Luther die Reichsacht.
    1941 Bertolt Brechts "Mutter Courage" wird im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Die von Helene Weigel verkörperte Protagonistin verliert im Dreißigjährigen Krieg alle ihre Kinder. Brecht will mit seinem Stück die Verzahnung von Kapitalismus und Krieg zeigen.
    1977 Zum Entsetzen seiner Fans wechselt Franz Beckenbauer in den amerikanischen Fußballverein Cosmos. Der Dreijahresvertrag ist auf ca. sieben Millionen DM festgesetzt.